Neujahrsansprache OB Stephan Keller

Neujahrsansprache OB Stephan Keller

01 Jan 2024

Düsseldorf - In seiner Neujahrsansprache fasst Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller die Herausforderungen der vergangenen Jahre zusammen und betont, dass die Stärkung der Demokratie als Grundlage für ein gutes und friedliches Miteinander in unserem Land und in Düsseldorf die zentrale Aufgabe für 2024 ist. Sie ist Grundlage für Wohlstand und ein Leben in Freiheit und Selbstverantwortung.

OB Keller wird sein Engagement für den Schul- und Wohnungsbau sowie die Düsseldorfer Wirtschaft fortsetzen. Für das kommende Jahr fordert er mehr Klartext und weniger bürokratische Hürden von der Politik. Er lobt die Weltoffenheit der Landeshauptstadt und betont zudem Eigenschaften, die die Düsseldorfer Gesellschaft ausmachen: Solidarität, Kreativität, Courage und Hilfsbereitschaft.

Der Oberbürgermeister nennt drei Schritte, um die Risse in der Demokratie zu heilen und den Zusammenhalt zu stärken: Mut, Verantwortung und Zivilcourage. Die Neujahrsansprache wird auf den Social Media-Kanälen, der Internetseite und dem YouTube-Kanal der Stadt unter www.youtube.com/stadtduesseldorf veröffentlicht.

Die Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller im Wortlaut:

Liebe Düsseldorferinnen, liebe Düsseldorfer,
heute ist der erste Tag im neuen Jahr 2024. Ein spannendes und wegweisendes Jahr liegt vor uns. Ein Jahr, in dem wir alle gefragt sein werden.

Ja, die vergangenen Jahre und Monate waren für uns alle sehr herausfordernd. Viele von uns haben sich verausgabt. In der Pandemie, bei der Flut, im Einsatz für Geflüchtete. Viele haben Verwandte oder Bekannte im Krieg. In der Ukraine oder im Nahen Osten. Viele sind erschöpft und sagen – was kommt denn als nächstes? Wie viel mehr können wir denn gemeinsam stemmen?

Ich kann das verstehen. Denn auch ich habe mich oft gefragt, was da gerade los ist in der Welt. Immer, wenn man denkt, dass man eine Krise gerade im Griff hat, gibt es schon wieder eine neue Herausforderung, die man beherzt anpacken muss. Das ist eine Erfahrung, die wir alle gemacht haben.

Das Jahr 2024 wird deshalb sicher ein Jahr, in dem wir die wesentlichen Dinge in den Fokus nehmen müssen, damit sie in der Flut der neuen Aufgaben und Anforderungen nicht untergehen.

Dazu gehört für mich unsere Demokratie. Ja! Demokratie ist manchmal eine Zumutung. Denn Demokratie bedeutet, dass man immer um den richtigen Weg miteinander ringen, miteinander diskutieren muss. Das ist anstrengend und manchmal ermüdend. Und doch ist gerade unsere Demokratie die Grundlage für ein gutes und friedliches Miteinander bei uns im Land und bei uns in Düsseldorf – und die Grundlage für unseren Wohlstand und ein Leben in Freiheit und Selbstverantwortung.

Ich kann es verstehen, dass es im ganzen Stress der vergangenen Jahre Momente gab, in denen man denken konnte: Müssen wir das jetzt wirklich nochmal diskutieren? Kann das nicht einfach jemand für uns entscheiden? Müssen wir immer selbst Verantwortung übernehmen? Doch die Antwort ist klar: Ja. Das müssen wir. Denn es ist ein großes Privileg. Und wir müssen uns darüber klar sein: In einer Demokratie zu leben, selbst über den Weg, den unser Land und unsere Stadt einschlägt, mitbestimmen zu dürfen – das ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Wir erleben in immer mehr Ländern, auch in Ländern in unserer Nachbarschaft, dass Demokratie ausgehöhlt und entkernt wird, dass demokratische Prozesse in Frage gestellt oder sogar abgeschafft werden.

So weit ist es hier bei uns noch nicht. Zum Glück! Doch es gibt auch bei uns erste Anzeichen, die wir beachten müssen – und denen wir uns entschieden entgegenstellen müssen. Denn auch bei uns sind antidemokratische Gruppierungen gerade stark im Aufwind. Das ist ein gefährlicher Trend, dem wir in diesem Jahr gemeinsam geschlossen entgegentreten müssen, um ihn zu stoppen. Denn der Zusammenhalt in unserer Stadtgesellschaft steht auf dem Spiel.

Sie haben es in den vergangenen Monaten sicher auch gespürt: Es gehen kleine Risse durch unsere Gesellschaft. Noch zeigen sie sich nicht klar. Sie sind eher unterschwellig bemerkbar und nur hier und da sichtbar. Das bedeutet: Wir können sie noch heilen. Wir können dafür sorgen, dass wir in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt und unserem Land den Zusammenhalt bewahren.

Wie können wir das erreichen? Als Erstes gehört für mich der Mut dazu, Probleme ehrlich anzusprechen. Wir leben in einer Konsensgesellschaft, und es gibt überall eine starke Zurückhaltung, wenn es darum geht, unangenehme Wahrheiten klar zu benennen. Es wird also zum Beispiel so getan, als könne man eine Transformation hin zu CO2-Neutralität einfach so erreichen, ohne, dass jemand sein Verhalten ändern muss. Wenn es dann jedoch an die Umsetzung geht, kommt, oh Wunder, heraus, dass das natürlich nicht funktionieren kann. Es wurde auch versäumt, darauf hinzuweisen, dass es natürlich kein Kinderspiel ist, vielen Geflüchteten in unserer Gesellschaft nicht nur ein Obdach zu gewähren, sondern sie richtig in unsere Gesellschaft, in unseren Arbeitsmarkt und in unsere Kultur zu integrieren. Es ist möglich. Aber es braucht sehr viel Engagement, viel guten Willen und viel Herzblut – von allen Beteiligten.

Natürlich weiß man auch von Seiten der Politik nicht immer, welche Auswirkungen die getroffenen Entscheidungen ganz genau haben werden. Gerade, wenn es sich um Entscheidungen handelt, die vorher so noch nicht getroffen wurden, wie in der Energiekrise und der Flüchtlingskrise. Aber was ich von der Politik fürs Jahr 2024 erwarte, ist: mehr Klartext. Und auch ich werde mich natürlich daranhalten und messen lassen!

Als Zweites gehört für mich dazu, dass wir selbst mehr Verantwortung übernehmen. Wir haben uns in einer "Vollkaskogesellschaft" eingerichtet. Wir haben versucht, alles zu regulieren, sodass es keine Risiken mehr gibt. Ich sehe das bei uns in der Stadtverwaltung in unseren Ämtern, wo sich die Kolleginnen und Kollegen jeden Tag aufs Neue hartnäckig bemühen, Wege durch den Bürokratiedschungel zu finden. Es gibt so viele Kleinigkeiten, die bürokratisch geregelt sind, dass man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. In Zeiten, in denen man nichts Anderes zu tun hat, kann das ja noch klappen. Aber in anspruchsvollen Zeiten wie gerade fühlt es sich oft so an, als hätten wir uns mit unseren Regulierungen selbst gefesselt. Wir müssen uns so viel mit Klein-Klein beschäftigen, dass wir viel zu wenig Energie übrighaben, um uns um die wirklich wichtigen Themen zu kümmern. Außerdem dauert alles zu lange. Wie sollen zum Beispiel die Transformation und der Kohleausstieg bis 2030 gelingen, wenn es von der Beantragung bis zur Inbetriebnahme eines Windrades fünf bis sieben Jahre dauert? Bei wasserstofffähigen Gaskraftwerken sind wir für Genehmigung und Bau ebenfalls bei fünf bis sechs Jahren! Und wie sollen wir die nötigen Schulen und Wohnungen bauen, wenn die Bauunternehmen uns sagen, dass sie mehr Energie in die Berücksichtigung aller Vorschriften als in den eigentlichen Bau investieren müssen?

Hier ist in den vergangenen Jahrzehnten viel falsch gelaufen, und es gibt akuten Handlungsbedarf. Wir müssen die Bürokratie wieder auf ein normales Maß zurückfahren. Dabei ist jedoch nicht nur die Politik, sondern es sind auch alle Bürgerinnen und Bürger gefragt. Denn sie müssen mitmachen und akzeptieren, dass alle auch für sich selbst Verantwortung übernehmen müssen – und dass man nicht alles an den Staat delegieren kann.

Ich verspreche Ihnen, dass auch wir in der Stadtverwaltung Verantwortung übernehmen und stark in unsere Zukunft investieren. Wir bauen trotz bürokratischer Hemmnisse mehr Schulen und mehr Wohnungen, wir richten unsere Stadt nachhaltiger aus, und wir bleiben weiterhin ein verlässlicher Partner für unsere Wirtschaft. Wir stellen das in den Mittelpunkt unserer Arbeit, was Menschen wichtig ist: ein Dach über dem Kopf, eine gute Arbeitsstelle und Lebensqualität in der Stadt!

Und, last, but not least: Als Drittes gehört für mich dazu, dass wir Zivilcourage zeigen müssen. Jede und jeder von uns muss für unsere Werte einstehen und sie, wenn es nötig ist, auch aktiv und laut vertreten. So hätte ich mir zum Beispiel niemals vorstellen können, dass Jüdinnen und Juden wieder Angst haben müssen, wenn sie in Deutschland über die Straße gehen. Doch das ist gerade wieder der Fall. Ich denke, hier sind wir alle einer Meinung: Das kann nicht sein, und das dürfen wir nicht zulassen!

Düsseldorf ist und war schon immer eine weltoffene Stadt. Gerade hier bei uns leben und arbeiten Menschen aus vielen Ländern und Kulturen seit Jahrzehnten erfolgreich und freundschaftlich miteinander. Eine weltoffene, vielfältige und demokratische Gesellschaft ist ein unglaublich großer Wert an sich, der wichtig für unsere Stadt ist, auf den wir stolz sind – und den wir verteidigen müssen. Auch wenn uns da der Wind manchmal ins Gesicht weht.

Hier werden wieder die Eigenschaften zählen, die Düsseldorf auch ausmachen: die große Solidarität, Kreativität, Courage und Hilfsbereitschaft aller Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, die uns hier auszeichnen, die uns bisher durch alle Krisen getragen haben – und auf die ich wirklich sehr stolz bin!  

Wir haben in diesem Jahr Europawahl. Die EU ist wohl das sichtbarste Zeichen dafür, dass sich ganz unterschiedliche Staaten zusammengerauft haben, um in Frieden und Gemeinschaft miteinander zu leben. Auch das ist nicht immer leicht. Und auch hier gibt es Staaten, die gerne mal ihr eigenes Ding machen. Doch alles in allem sorgt die EU seit mehr als einem halben Jahrhundert bei uns für Frieden, Stabilität und Wohlstand. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass auch das keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir unser Zusammenleben in Europa verteidigen müssen.

So schließe ich heute mit einer Bitte: Bleiben Sie mutig. Übernehmen Sie Verantwortung. Zeigen Sie Zivilcourage. Und bringen Sie sich aktiv in unsere demokratischen Prozesse ein. Denn das ist der Schlüssel, um unseren Zusammenhalt zu stärken und unsere Gesellschaft jeden Tag ein bisschen besser zu machen.

Ich danke Ihnen für das große, mir entgegengebrachte Vertrauen in den bisher drei Jahren meiner Amtszeit. Ich verspreche Ihnen, dass ich mich auch in diesem Jahr mit ganzer Kraft und aus ganzem Herzen für Düsseldorf einsetzen werde. Und ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben von ganzem Herzen nur das Beste und ein glückliches, erfolgreiches, mutiges und gesundes Jahr 2024!

Quelle-Bild: Landeshauptstadt Düsseldorf/

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